
Zu wenig Milch?!: Falsche & wirkliche Anzeichen | Tipps für mehr Muttermilch
Immer wieder begegnen uns Müttter, die berichten sie konnten nicht stillen, weil sie nicht genug Milch hatten. Und uns selbst huscht auch womöglich immer mal wieder der Gedanke durch den Kopf: „Habe ich zu wenig Milch? Reicht meine Milch? Wird mein Baby überhaupt satt?“… Als meine Tochter in den ersten drei Monate tagsüber dauerstillte, also wirklich ohne Pause stillen wollte, war ich völlig überfordert und mein Kopf war voll von diesen ängstlichen Fragen…
Die Informationen dieses Textes sollen nicht Mütter kritisieren, die sagen, sie haben oder hatten zu wenig Milch und deshalb haben sie abgestillt. Es gibt Mütter, die haben wirklich zu wenig Milch und bei ihnen helfen auch keiner der Tipps, doch dies ist tatsächlich sehr selten. Aber es gibt auch Mütter, die eigentlich genug Milch haben oder haben könnten, jedoch können sie nichts dafür, wenn sie es glauben. Die Angst zu wenig Milch zu haben, ist eine tiefgehende Angst, das Baby, das eigene Baby, das man gerade erst in die Arme nehmen konnte, für das man diese unglaubliche Liebe spürt, könnte in den eigenen Armen verhungern. Diese Angst ist eine direkte Folge von falschen Erwartungen und Regeln, die seit vielen Jahrzenten, fast schon ein ganzes Jahrhundert, uns so eingetrichtert wurden, so dass auch Kinderärzte und Hebammen diese ungünstigen Stillregeln immer noch und immer wieder weitergeben und fälschliche „zu wenig Milch“-Diagnosen stellen. Zum Glück gibt es dennoch auch viele Ärzte und Hebammen, die sich fortbilden, aber leider noch zu viele, die sich nicht aktuelles und wissenschaftlich evidentes Wissen rund um Muttermilch und Stillen aneignen.
Kommen wir nun zu den Anzeichen, bei denen wir nicht von einer zu geringen Milchbildung ausgehen sollten.
Falsche Anzeichen
- lange Still-Mahlzeitdauer
- kurze Zeit zwischen Stillmahlzeiten
- häufiges Stillen
- Unruhe beim Stillen
- in den Tagen nach der Geburt bis zu 10 % Gewichtsabnahme (auch mehr möglich bei PDA/Infusionsgaben an die Mutter unter der Geburt)
- viel weinen (auch während des Stillens)
Muttermilch ist bereits nach 30 bis 90 Minuten im Babymagen verdaut und der Magen deines Babys ist sehr klein. So ist der Körper des sehr jungen Säuglings auf regelmäßige kleine Mahlzeiten ausgelegt. Deshalb sind lange und häufige Stillmahlzeiten kein Zeichen für eine zu geringe Milchbildung. Für Unruhe während einer Stillmahlzeit können viele Ursachen vorliegen, dem Baby ist zu kalt oder zu warm, was meist eher der Fall ist, das Kind muss pullern oder kackern, denn gerade des Stillen regt die Darm- und Blasentätigkeit an. Oft fällt es dem Baby aber schwer auf der Mutter sich zu erleichtern, da hier ein Instinkt wirkt, dass es nicht auf der Mama pullern oder kackern kann. Hier kann man abhalten, das heißt das Baby in eine gehockte Position bringen, in der das Baby sich gut erleichtern kann. Viel Weinen, auch beim Stillen, kann so viele verschiedene Ursachen haben und gerade bei Mama an der Brust kann das Baby gut seinen Frust und Stress rauslassen. In den Tagen nach der Geburt ist eine Gewichtsabnahme von bis zu 10 % absolut normal. Bekam die Mutter unter der Geburt eine Infusion oder erhielt eine PDA kann dies das Gewicht des Säuglings nach oben verfälschen und daraus folgt in vielen Fällen eine weitaus höhere Gewichtsabnahme, deshalb sollte das Gewicht 24 Stunden nach der Geburt als Ausgangsgewicht betrachtet werden.
Tatsächliche Anzeichen für zu wenig Milch oder anderen Problemen
- nach 13 Tagen Geburtsgewicht (oder das Ausgangsgewicht nach 24 Stunden bei PDA/Infusionen) noch nicht wieder erreicht
- geringe Gewichtszunahme von weniger als 150 Gramm pro Woche (nur in den ersten 3 Monaten!, danach reicht weniger)
- zu wenige nasse Windeln (weniger als 6 Windeln am Tag, in den ersten Tagen 1-4 nasse Windeln)
- nicht täglich Stuhlgang (nur in den ersten 6 Wochen!)
Sollte einer dieser Faktoren zutreffen, sollte am besten sofort eine zertifizierte Stillberaterin kontaktiert werden, denn eine zu geringe Milchbildung ist nicht der einzige mögliche Grund, weshalb ein Baby nicht genug zu nehmen könnte. Beispielsweise gibt es IBCLC-, EISL- und DAIS- Stillberaterinnen, die dich in so einem Moment professionell unterstützen können.
Allgemeine Empfehlungen für ein gelingendes Stillmanagement & für eine optimale Milchbildungsanregung
Diese Tipps möchten wir jeder Mutter ans Herz legen, auch wenn keine Probleme vorliegen.
- Stillen nach Bedarf (auch nachts)
- Stillen bei ersten Hungeranzeichen
- mindestens 12-mal Stillen in 24 Stunden (in den ersten 6 Wochen)
- Entspannen
- Haushaltshilfe und weitere alltägliche Aufgaben abgeben in den ersten 6 bis 12 Wochen nach der Geburt
- Beruhigungssauger (Nuckel/Schnuller/…) mindestens in den ersten 6 Wochen nicht benutzen und frühestens einsetzen, wenn das Stillen eingespielt ist (meist nach 8 bis 12 Wochen)
- Beruhigungssauger so selten wie möglich, so oft wie nötig einsetzen
- wenn mal zugefüttert werden sollte, nicht in der Flasche, sondern stillfreundlich bspw. mit Löffel, kleinem Becher, oder Brusternährungsset
Zur optimalen Anpassung des Milchangebots an den Milchbedarf deines Babys solltest du nach Bedarf stillen und dabei auf die ersten Hungerzeichen hören: v.a. Hin- und Herbewegen des Kopfes, Schmatzen, Zunge rausstrecken, Lippenlecken, Saugbewegungen, Hand in den Mund nehmen, Saugen an der Hand und Fingern und auch allgemeine Unruhe. Es gibt Kinder, die gerne viel schlafen, diese sollte man allerspätestens alle 2 Stunden wecken und stillen, damit sie auf die empfohlenen 12 Mindest-Mahlzeiten in 24 Stunden kommen. Diese Empfehlung gilt auch für Kinder, die erhöhte Billirubin-Werte haben und daher eine Säuglings-Gelbsucht entwickelt haben. Die Entspannung (z.B. die ersten Tage nur im Bett mit Baby oder ein Spaziergang im Grünen) und Entlastung planen die Eltern am besten schon vor der Geburt gemeinsam, damit du dich von der Geburt erholen kannst und die Milchbildung gut anlaufen kann. Auch wenn viele Babys gut mit dem Wechsel zwischen Nuckel oder Flasche und Stillen klar kommen, gibt es immer wieder Fälle, in denen eine Saugpräferenzverschiebung (auch umgangsprachlich Saugverwirrung genannt) das Stillen langfristig erschwert. Deshalb sollte man zur Zufütterung, sollte es denn wirklich nötig sein, die stillfreundlichen Alternativen nutzen, mit denen ein Baby genauso gut gefüttert werden kann. Trotz Umsetzung aller Tipps kann es manchmal gibt jedoch auch hier Faktoren, die man betrachten sollte: Plazentareste oder auch Schilddrüsenprobleme, da diese Umstände die Milchbildung erschweren können. Die Anlegetechnik, also wie das Baby die Brust im Mund hat, sollte auch immer von Stillberater*innen, oder von Hebammen, die sich über das Stillen gut informiert haben, überprüft werden, wenn Unsicherheiten, wunde Brustwarzen oder sogar Schmerzen beim Stillen in der Brustwarze vorliegen.
Leider hat sich die Wirksamkeit von Galaktoga, also Lebensmittel, die die Muttermilchproduktion positiv beeinflussen sollen, wissenschaftlich nicht bestätigt. Das einzige, was wirklich die Milchmenge positiv beeinflussen kann, ist häufiges stillen.
Wie ihr bereits gelesen habt, hatte ich auch die Angst, dass ich nicht genug Milch hätte, da meine Tochter wirklich den ganzen Tag ohne nennenswerte Pause, fast nur Wickelpausen, stillte. Und, was sagte meine tolle Hebamme?: „Ist doch toll, du stillst nach Bedarf und die Gewichtszunahme ist auch perfekt“.